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Offener Brief an die Bundestagsabgeordneten

Sehr geehrte Bundestagsabgeordneten,

das Bundeskabinett hat am 01.12.15 beschlossen, bis zu 1.200 deutsche Soldaten in den Krieg in Syrien zu entsenden. Als völkerrechtliche Grundlage wird dabei insbesondere das in der UN-Charta garantierte Recht auf kollektive Selbstverteidigung genannt, in Verbindung mit der im EU-Vertrag definierten Beistandspflicht, die nun offenbar die Bundesrepublik zur militärischen Unterstützung Frankreichs in Syrien verpflichten soll.

Willy Brandt wird folgender Satz zugeschrieben: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Unser Grundgesetz erlaubt in Artikel 87a nur die Aufstellung von Streitkräften zur Verteidigung und verbietet in Artikel 26 explizit Angriffskriege. Auch im 2plus4 Vertrag haben die damalige BRD und die DDR zugesichert, Waffen nur in Übereinstimmung mit der Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen einzusetzen. In § 80 des Strafgesetzbuchs wird die Vorbereitung eines Angriffskriegs unter Strafe gestellt und ein Strafmaß von mindestens zehn Jahren vorgegeben. In §10 des Soldatengesetzes wird sogar jeder einzelne Vorgesetzte bei jedem
einzelnen Befehl auf die Beachtung des Völkerrechts verpflichtet. Der Gesetzgeber hat also die Hürden für einen Kriegseinsatz der Bundeswehr sehr hoch gesetzt.Dennoch sollen all diese Beschränkungen nun unterlaufen werden.

In Paris wurde ein Terroranschlag verübt, ein Verbrechen, bei dem nach jetzigem Kenntnisstand die Täter im Wesentlichen Franzosen und Belgier waren. Dies wird nun als Angriff von Außen interpretiert und soll als
Begründung für einen Kriegseinsatz in Syrien herhalten.

Welcher Krieg ließe sich in Zukunft nicht begründen, wenn wir diese Argumentation akzeptieren?
Frankreich beteiligt sich spätestens seit September 2015 am Syrienkrieg[1]. Die Kampfeinsätze der französischen Armee sind deshalb mitnichten eine Folge der Anschläge von Paris. Die Unterstützung durch die Bundeswehr wurde ebenfalls vorher bereits gefordert und wird nun lediglich mit einer neuen Begründung versehen. Die gebotene Solidarität mit Frankreich darf nicht mit der blinden Unterstützung der politischen Ziele der französischen Regierung verwechselt werden. Solidarität müsste nun vielmehr bedeuten, die Verbündeten von einer militärischen Strategie abzubringen, die nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern darüber hinaus kontraproduktiv ist. Dass hätte ohne einen destabilisierten Irak nicht entstehen können. Der völkerrechtswidrige Irakkrieg, an dem Gerhard Schröder 2003 die direkte deutsche Beteiligung verweigerte, hat den Boden für die
Entstehung von Daesh bereitet. Bereits 2012 analysierte die amerikanische Defense Intelligence Agency (DIA) die Lage in Syrien, sagte die Gründung von Daesh voraus und listete die westlichen Staaten, die Golfstaaten und die Türkei als die Unterstützer der Gruppierungen auf, aus denen der IS hervorging[2]. Der amerikanische Vizepräsident Joe Biden nannte in einer Rede von 2013 Saudi Arabien, Katar und die Türkei als Staaten, die Daesh finanziell und mit Waffen unterstützen[3]. Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure. Zu den Abnehmern
deutscher Waffen zählen auch, in erheblichem Umfang, die genannten Staaten.

Die Entstehung und Ausbreitung von Daesh ist kein Naturphänomen, sondern das Ergebnis einer völlig verfehlten Politik. Die Anzahl der Todesopfer in direkter Folge des sogenannten Kriegs gegen den Terror wird allein im
Irak auf ca. eine Million Menschen geschätzt [4]. Es überrascht wenig, dass die Folge zerbombter Städte und einer Million Toter eben nicht Demokratie ist, sondern Terror. Auch überrascht es nicht, dass sich Millionen Menschen auf der Flucht nach Europa befinden.

Was soll nun bei einem Kriegseinsatz in Syrien erreicht werden? Die Bombenangriffe werden tausende ziviler Opfer fordern und es werden noch mehr Menschen flüchten. Schlimmstenfalls werden einige Staaten auch
weiter egoistische Motive verfolgen und Daesh finanziell und mit Waffen unterstützen, während andere Staaten versuchen das Problem des Daesh mit Bombenangriffen zu lösen. Alle Kriege des Westens im Kampf gegen den
Terror haben zerstörte Staaten hinterlassen. Es gibt nicht ein positives Beispiel. Wann lernen wir aus diesen Fehlern?

Frank-Walter Steinmeier hat in den letzten Monaten auf eine diplomatische Lösung gesetzt und wiederholt gesagt, dass es für Syrien keine militärische Lösung gibt. Auch Nahostexperten wie Michael Lüders oder Jürgen Todenhöfer halten dies für den richtigen Weg. Daesh muss doch im ersten Schritt vom Nachschub mit Waffen und Geld abgeschnitten werden, bevor man in einen rechtswidrigen Krieg stolpert. Die deutsche Außenpolitik steht unter massivem internationalen Druck. Vielleicht braucht Herr Steinmeier nun ein starkes Parlament, das die Zustimmung zu einem Kriegseinsatz der Bundeswehr verweigert und ihn damit in seiner völkerrechtskonformen Vorgehensweise bestärkt und ihn seiner alleinigen Verantwortung entlässt.

Ein Major der Bundeswehr hat während des zweiten Irakkrieges den Befehl verweigert, da seine Arbeit indirekt die, nach seiner Einschätzung, völkerrechtswidrigen Angriffe auf den Irak unterstützt hätte. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ihn dafür im Jahr 2005 freigesprochen. Er durfte sich auf seine Gewissensfreiheit berufen und den Befehl verweigern.

Auch Sie sind nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Wir bitten Sie am Freitag im Bundestag gegen einen Kriegseinsatz der Bundeswehr zu stimmen. Entsprechen auch Sie mit Ihrer Stimme dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und helfen Sie mit, die Gewaltspirale zu durchbrechen.

i.A. vieler weiterer Piraten
Dr. Renè Röderstein
Babak Tubis, Vorsitzender Piratenpartei Kreisverband Köln
Lisa Gerlach, Mitglied des Kölner Stadtrats

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