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Redebeitrag zum Zielabweichungsverfahren zur Erweiterung des FC-Geländes auf der Gleueler Wiese – Regionalrat Köln

Redebeitrag von Yvonne Plum, Vertreterin der PIRATEN im Regionalrat Köln, zum Zielabweichungsverfahren zur Erweiterung des FC-Geländes auf der Gleueler Wiese in der Sitzung des Regionalrats Köln am 05.07.2019

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

Yvonne Plum,
Vertreterin der PIRATEN
im Regionalrat Köln.

ich bin nicht jemand, der gerne unnötig viele Worte macht. Heute allerdings sehe ich mich gezwungen, etwas weiter auszuholen, da ich mich vom aktuellen Thema sowohl persönlich betroffen fühle, als auch generell unter dem Aspekt des Klimawandels der vorgeschlagenen Annahme des Zielabweichungsverfahrens nicht folgen kann.

Die beiden Grüngürtel sind eine ökologische Errungenschaft, die wir der Weitsicht Konrad Adenauers zu verdanken haben. Er erkannte bereits in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, dass Städte großflächige Grünflächen brauchen, zur Naherholung, für die sportliche Betätigung, aber auch für das Stadtklima. Seine Enkel jedoch sind heute anscheinend bereit, dieses kostbare und europaweit einzigartige Erbe zu verscherbeln zugunsten eines kurzfristigen Imagegewinns.

Seit 1980 steht der Äußere Grüngürtel unter Denkmalschutz und damit auch die Gleueler Wiese. Es handelt sich um ein europaweit einzigartiges Grünsystem. Das sollten wir uns bewusst machen, ehe wir hier einen, wie auch immer großen Teil dieses Unikats, herausschneiden und zur kommerziellen Nutzung freigeben.

Denn darum geht es doch letztendlich, wenn man die Unterlagen bewusst durcharbeitet. Da ist die Rede vom Imagegewinn der Stadt, von – letztendlich wirtschaftlichen – Standortvorteilen durch die Nähe zur Innenstadt (gute Erreichbarkeit), von den Vorteilen für den FC selbst. Während die Belange der betroffenen Bürger immer wieder heruntergespielt werden.

Fakt ist, dass sich schon kurz nach Bekanntwerden der entsprechenden Erweiterungspläne des FC massiver Widerstand innerhalb der Bürgerschaft formiert hat. Wir alle haben in den letzten Tagen Schreiben einzelner Bürger, aber auch von Gruppierungen wie gruensystem.koeln und der Bürgerinitiative „Grüngürtel für Alle“ erhalten, die uns inständig bitten, dem Zielabweichungsverfahren nicht zuzustimmen. Auch vor dem Regierungspräsidium standen heute Morgen Menschen, die NICHT wollen, dass wir das Zielabweichungsverfahren genehmigen. Aus durchaus guten Gründen.

Wir alle sitzen hier, weil wir von den Bürgern dieser Kommune gewählt wurden. Und deshalb sind wir ihnen verpflichtet. Es gibt sicherlich Situationen, wo man sagen muss, dass man lieber eine unpopuläre Entscheidung fällt, weil sie langfristig die sinnvollere ist. Das ist hier jedoch nicht gegeben. Deshalb sollten wir auf die Bürger bzw. unsere Wähler hören.

Die Bürger sind ja auch nicht alleine. Sowohl BUND, LNU als auch NABU haben sich massiv gegen das Zielabweichungsverfahren ausgesprochen. Sollte es uns nicht zu denken geben, dass diese drei großen Umweltschutzverbände hier vehement Kritik üben?

Natürlich ist es richtig, dass die Grüngürtel auch als Sportflächen geplant waren. Aber das waren Sportflächen im Sinne der damaligen Zeit. Da gab es Gymnastik, Federball, auch Fußball und diverses anderes, was nicht einer speziell dafür präparierten Fläche bedurfte. Auf gut Deutsch: Freiflächen, die auf verschiedene Art sportlich genutzt werden können, aber nicht müssen. Nicht umsonst wird die auch auf den Grüngürtel zutreffende Freiraumfunktion u.a. als „Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung“ definiert.

Und gerade dieser Begriff der „landschaftsorientierten Erholung“ sollte uns beschäftigen. Denn was heißt das eigentlich? Es ist eben nicht die Konzentration darauf, sich selbst zu „optimieren“, indem man jede Freifläche für sportliche Aktivitäten nutzt. Es ist die Erfahrung von Natur im weitesten Sinne gemeint. „Im weitesten Sinne“ deshalb, weil es sich bei den Grüngürteln um künstlich angelegte Räume handelt, die trotzdem inzwischen zu eigenständigen Biotopen herangewachsen sind. Natur lässt sich jedoch nur in der Ruhe erfahren. Die eh schon geringen Räume dafür werden jedoch immer mehr reduziert zugunsten von Räumen, die sportlich, durch Kinder (Spiel-/Bolzplätze) oder als Partyräume/Grillplätze (z.B. Aachener Weiher) genutzt werden.

Sollen wir wirklich einen großartigen, inzwischen über mehrere Jahrzehnte gewachsenen Raum wie die Gleueler Wiese für drei zusätzliche (mit Kunstrasen mehr oder weniger versiegelte) Fußballplätze opfern? Sollen wir dafür akzeptieren, den (verbliebenen) Wiesenbereich nur noch dann nutzen zu können, wenn es nicht mit FC-Veranstaltungen kollidiert? Wobei selbst dann wenig mehr als eine Passiermöglichkeit zwischen den Fußballfeldern übrig bleibt, die höchstens für Hundebesitzer aus der Nachbarschaft interessant ist, die ihre Tiere Gassi führen.

Eine Nutzung für die Allgemeinheit bedeutet nicht ausschließlich eine Nutzung für Sport. Erholung braucht auch Ruheflächen, gerade in einer Großstadt. Denn es gibt zunehmend ältere Leute, die nicht nur an Sportaktivitäten gar nicht mehr teilnehmen können, sondern die auch gerade Ruheinseln in der Stadt zu schätzen wissen, egal, wie „fit“ sie sind.

Eigentlich müsste ich hier, meinem Gefühl nach, noch mindestens anderthalb Stunden Argumentation anschließen, weshalb das Zielabweichungsverfahren in diesem Fall ökologisch, sozial, denkmalpflegerisch und überhaupt abzulehnen ist. Aber natürlich weiß ich, dass wir alle mehr oder wenige ehrenamtlich hier sitzen und froh sind, wenn wir dann endlich nach Hause gehen dürfen.

Deshalb erlauben Sie mir bitte noch abschließend einen weiteren Kommentar zu den angeführten Gründen, weshalb das angestrebte Verfahren quasi „alternativlos“ sein soll.

Es wurden ja alternative Standorte geprüft. Am besten schnitt das Gelände in Junkersdorf/Marsdorf ab. Einer der maßgeblichen Gründe dagegen ist, dass sich dieses Gelände in größerer Entfernung zu den einbezogenen Schulen befindet. Andererseits gibt es eine Bahnhaltestelle quasi vor der Haustür. Außerdem gehe ich mal davon aus, dass bei Bedarf auch die Einrichtung eines Bus-Shuttles für gewisse Zeiten durchaus möglich wäre.

Ganz abgesehen von klimatischen Fragen, die eine Bebauung der Gleueler Wiese aufwirft, ist es für die Anwohner ein erheblicher Aufwand, ein vom Erholungsfaktor ähnliches Gebiet zu erreichen. Insbesondere für ältere und/oder behinderte Menschen. Ist es wirklich erforderlich, dass junge Menschen ihre Ausbildungsstätte möglichst fußläufig erreichen können? Werden ähnliche Forderungen auch bei Musik- oder Kunstschulen aufgestellt? Meines Wissens nicht. Warum dann ausgerechnet für Sportschüler?

Was die Ansiedlung des Großmarkts auf dem Gelände betrifft, so ist diese noch nicht endgültig beschlossen. Ein konkurrierender Antrag für das Gelände wäre also durchaus möglich und gegebenenfalls müsste der Großmarkt eben ausweichen. Eventuell müssten ja auch nicht alle Bereiche des FC umsiedeln, sondern nur ein Teil, so dass genug Platz für den Großmarkt bliebe.

Und ehe ich es völlig vergesse nun noch ein wirklich allerletzter Punkt.

In unseren Unterlagen ist immer wieder von einem angeblich geplanten „Sportband“ die Rede. Das ist eine Fiktion, denn es gab zwar von Anfang an die Vorgabe, dass die Grüngürtel auch der sportlichen Betätigung dienen sollten. Von einer bandartigen Struktur war jedoch keine Rede. Des Weiteren wird mehrfach behauptet, dass es sich doch, angesichts der Gesamtfläche des Äußeren Grüngürtels um eine relativ kleine Fläche handele, die hier in Anspruch genommen werden solle, so dass Negativauswirkungen, welcher Art auch immer, kaum zu erwarten sein.

Die Gesamtfläche des Äußeren Grüngürtels beträgt 800 ha. Die Bezugsfläche (also das Areal, um welches es hier geht) beträgt knapp 24 ha. Sie ist damit etwas größer als die Fläche des Decksteiner Weihers (20 ha). Das klingt jetzt nicht dramatisch. Aber es handelt sich um einen GÜRTEL. D.h., die Fläche ist zwar groß, aber schmal.

Nehmen Sie ein Stoffstück von 80 Quadratzentimetern und schneiden sie daraus ein 2,4 Quadratzentimeter großes Stück heraus, passiert nicht viel. Legen Sie die 80 Quadratzentimeter jedoch auf einen Gürtel um und schneiden dort dann die 2,4 Quadratzentimeter heraus, kann das leicht zum Zerreißen des ganzen Gürtels führen. Genau das ist es, was uns hier droht. Das Radialsystem zur Klimaverbesserung der Stadt könnte zusammenbrechen, weil ein scheinbar kleiner Teil davon wirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Wollen wir das wirklich?!

Vielen Dank für Ihre Geduld.

Die Rede als PDF

Mehr dazu:

Pressemitteilung: Linke und Piraten gegen massiven Eingriff im Kölner Grüngürtel

Pressemitteilung: Nur eine Farce – Entscheidung über das Zielabweichungsverfahren in Sachen FC-Gelände

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